Börse und Psychologie, wer kennt sich schon aus?

Die Leute, die an der Börse setzen, können es sich leisten.

„Wenn ich so einen sehe, kennen lerne, bin ich von ihm begeistert, denn er ist was, er ist ja wer“ – so sagte es mir ein Patient vor nicht all zu langer Zeit.

Heute ist er in Behandlung, weil er dazu gehören wollte. Er wollte sein, wie „die“, spekulieren mit seinem Geld und mit dem Geld anderer, er wollte seine Spielleidenschaft ausleben, auf dem Parkett der Börse.

Sein Selbstwertgefühl hat, durch das Vorhandensein einer imaginären Präsenz am Pulsschlag der Zeit, durch die Befriedigung, mit den Begriffen Gewinn und Verlust umzugehen, und damit dazu zu gehören – stark gewonnen.

Er hat sich, ganz einfach gesagt, überbewertet. Seine Spielleidenschaft kam jetzt erst richtig zum Zuge. Sein Selbstwertgefühl artete in eine Selbstüberschätzung aus, und damit konnte er nicht mehr realitätsbezogen handeln.

Sein Selbst-Ich hat gesagt, er kann nicht verlieren, denn er hört auf Insiderinformationen, die nur für ihn bestimmt sind. Nun kam eine ganz einfache Selbstüberschätzung dazu, und siehe da – der Absturz kam. Wer kann denn nur glauben, dass es Insiderinformationen nur für ihn gemacht werden? Wenn das so leicht wäre, würde ja keiner an der Börse mehr verlieren und jeder nur noch der Gewinner sein. Gewinner sind immer die, die wissen, worüber sie reden, aber auch denen passieren Verluste, die schmerzen. Doch diese Leute können damit umgehen.

Wie sagte der Börsenguru André Kostolany: „Bleiben Sie ruhig, auch die Börse beruhigt sich wieder.“

Aber kann das ein Anleger, wenn seine wirtschaftliche Existenz daran hängt? Wer kann dann noch realitätsbewusst handeln, wenn er auf der Verliererstraße ist? Wie kann er das verkraften? Was macht seine Psyche mit ihm?  

Er ist auf der Jagt, sein Unterbewusstsein signalisiert den Gewinn, natürlich schlägt das Wild, das er jagt, Haken. So auch die Börse. Also ist er immer noch auf der Gewinnerseite, sein Unterbewusstsein registriert nicht die Gefahr, denn er will nicht auf das Unterbewusstsein hören, und geht so sehr große Risiken ein.

Einige Leute haben sich die Börse als „Jagt nach dem Glück“ ausgesucht. Sie spielen Jäger, und die Gewinne, die sie machen, ist das Wild. Unsere Jagtriebe, die wir besitzen, die in unserem Unterbewusstsein oft auftreten, werden wieder geweckt. Jeder ist ein Jäger von uns. Ob wir Sport treiben, nach Frauen schauen oder an der Börse nach den Gewinnen trachten. Wir jagen um uns, um unser Selbstwertgefühl zu steigern, das Ego zu befriedigen.

Nun geht es hier um das liebe Geld, was jeder braucht.

Zwei Spezies von Börsianern gibt es, die Profis und die Amateure.

Die Profis handeln nach den gelernten und durch Erfahrung gefestigten Richtlinien, mal aus dem Bauch, was selten vorkommt, und nach dem, wie es die Börse vorschreibt.

Die Amateure, das sind die Psychopaten. Sie sind die angeblichen Sieger, denn sie steigern ihr Selbstwertgefühl, indem sie an der Börse mitreden. Es nimmt noch mehr in wachsendem Masse zu, wenn sie mal Gewinn gemacht haben. Nichts ist an der Börse so schadhaft wie das übersteigerte, aus dem Gleichgewicht geratene Selbstwertgefühl. Die Überschätzung dieses Gefühls führt ganz automatisch zu einer Neurose und läutet damit den Sturz in den Keller ein. 

Nun haben wir unseren Patienten, der mit sich und der Umwelt nicht klar kommt. Oft werden diese Konflikte – Selbstwertgefühl und Verlust - zu Hause ausgetragen. Die Familie bekommt die Aggressionen des Verlierers zuspüren, weil er ja seine inneren Konflikte wieder lösen muss. Durch Aggressionen gegen Unschuldige und auch gegen Gegenstände reagiert er seinen Frust ab.

In diesem Dilemma versucht der Verlierer unbewusst seinen Jagtrieb irgendwie mit seinen Hemmungen zu vereinbaren. Der Jagtrieb, den er ja nicht ausleben kann, weil er das Wild nicht stellen konnte, hat keine Befriedigung gefunden und sucht nun nach einem Ventil.

Labile Menschen sollten also die Finger von den Börsenspielen lassen und sich nicht auf dieses Parkett begeben. Die wirtschaftlichen Aspekte sind dabei auch nicht zu verachten, denn nur wer die Risiken kennt, wird mit den Börsengeschäften umgehen können.

Prof. Dr. Dr. h.c. Klauspeter Feller

Prof. für Psychologie