Die
Europäische Aktiengesellschaft
SE (Societas Europaea)
Mit Inkrafttreten des
entsprechenden Gesetzes am 29.12.2004 ist die Europäische
Aktiengesellschaft (Societas Europaea, oder kurz: SE) eingeführt
worden.
Ziel dieser neuen supranationalen
Aktiengesellschaft ist es, innerhalb der Europäischen Union
grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse,
Konzernbildungsvorgänge und Unternehmenskooperationen zu erleichtern.
Durch die Schaffung einer von den einzelstaatlichen
Gesellschaftsrechtsordnungen weitgehend unabhängigen Gesellschaftsform
als Unternehmensträger sollen die bestehenden gesellschaftsrechtlichen,
steuerlichen und psychologischen Hemmnisse gemindert werden.
Gründung
Grundlage der Regelungen zur
Einführung der SE sind zwei Rechtsakte der Europäischen Union:
- „Die Verordnung über das
Statut der SE" und die ergänzende
- „Richtlinie über
die Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE".
Die Gründung einer
Europäischen Aktiengesellschaft kann gesellschaftsrechtlich in Form
einer:
Eine SE kann gem. Art. 2 Abs. II
VO durch Verschmelzung gegründet werden
- entweder durch Aufnahme
- oder durch Gründung einer
neuen Gesellschaft
Eine SE kann gem. Art 32 VO in
Form einer Holding-SE entstehen.
Die Gründung kann von
mindestens zwei Gesellschaften (AG oder GmbH), die ihren Sitz in einem
Mitgliedstaat haben, durchgeführt werden
Gesellschaften und juristische
Personen (öffentlichen und privaten Rechts), die nach Recht eines
Mitgliedstaates gegründet worden sind, mit Sitz und Hauptverwaltung
in der EU, können gem. Art 35 VO eine Tochter-SE gründen
Eine AG, die nach dem Recht
eines Mitgliedstaates gegründet worden ist und ihren Sitz und
Hauptverwaltung in der EU hat, kann in eine SE gem. Art 37 VO
umgewandelt werden, wenn sie seit mindestens zwei Jahren eine dem
Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegende Tochtergesellschaft
hat
geschehen.
All den Gründungsformen
gemeinsam ist ein grenzüberschreitendes Moment.
Mindestens zwei der
Gründergesellschaften müssen dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten
unterliegen.
Weiterhin ist bei den
Gründungsmöglichkeiten zu beachten, dass es eine Bar- und
Sachgründung durch natürliche Personen nicht gibt.
Das Mindestkapital einer SE
beträgt 120.000 Euro.
Die SE wird in das Register des
Mitgliedstaates eingetragen, in dem sie ihren satzungsmäßig
bestimmten Sitz hat. Dieser Sitz muss dem Sitz der Hauptverwaltung
entsprechen. Zusätzlich wird die Eintragung im Amtsblatt der EU
veröffentlicht.
Aufbau
Die innere Organisationsform
kann optional gewählt werden: zwischen dem dualistischem System mit Trennung
von Vorstand und Aufsichtsrat (Deutschland) oder dem monistischen
Modell (England, Frankreich).
Kennzeichnend für das
monistische System ist, dass ein Verwaltungsrat, ein „Board of
directors", die SE leitet und die Grundlinien der Tätigkeit
bestimmt und deren Umsetzung überwacht. Er besteht nur aus
nichtgeschäftsführenden Mitgliedern. Es müssen mindestens 3
Mitglieder, für 5 Jahre bestellt, sein. Es müssen mindestens 6
Treffen pro Jahr festgelegt werden. Der Verwaltungsrat bestellt für
die laufende Geschäftsführung einen oder mehrere Direktoren. Diese
sind nicht Mitglieder des Verwaltungsrates, an die Beschlüsse
des Verwaltungsrates gebunden und können jederzeit abberufen werden.

Steuer
Die Besteuerung des laufenden
Geschäftsbetriebes, die Gewinnermittlung und die Erstellung der
Steuererklärung der SE erfolgt nach dem nationalen Steuerrecht des
jeweiligen Sitzstaates.
Die SE stellt einen
Jahresabschluss auf. Er besteht aus Bilanz, Gewinn- und
Verlustrechnung, dem Anhang sowie dem Bericht über den
Geschäftsverlauf und die Lage der Gesellschaft. Die Gründer haben
die Möglichkeit für die Feststellung des Jahresabschlusses den
Verwaltungsrat bzw. den Vorstand und den Aufsichtsrats zu bestimmen.
Eine Studie der Europäischen
Kommission vom 05.10.2001 über die Möglichkeit einer EU-weit
einheitlichen steuerlichen Bemessungsgrundlage konnte bisher noch
nicht umgesetzt werden.
Mitbestimmung
Die unternehmerische
Mitbestimmung war mit das größte Hindernis, dass es zur Schaffung
einer Europäischen Aktiengesellschaft zu überwinden galt.
Zunächst können sich
Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf ein beliebiges Mitbestimmungsmodell
einigen. Bleibt ihr Modell hinter dem Mitbestimmungsniveau eines der
Gründungsunternehmen zurück, bedarf es, je nach Grad der Abweichung,
einer bestimmten qualifizierten Zustimmungsmehrheit der Arbeitnehmer.
Bei diesen Verhandlungen über
eine Vereinbarung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sind
hauptsächlich folgende Punkte zu regeln:
- die Zusammensetzung des
Vertretungsorgans der Arbeitnehmer und dessen Befugnisse
- das Verfahren über die
Unterrichtung und Anhörung
- die Mitbestimmung der
Arbeitnehmer im Aufsichtsrat oder Verwaltungsorgan.
Die Verhandlungsdauer ist auf 6
Monate begrenzt, kann jedoch durch Übereinkunft der
Verhandlungspartner auf 1 Jahr verlängert werden. Dem
Verhandlungsgremium können auch Gewerkschaftsvertreter, die nicht im
Unternehmen beschäftigt sind, angehören.
Erzielt das besondere
Verhandlungsgremium (BVG) innerhalb des Verhandlungszeitraums mit den
Organen der beteiligten Gesellschaften keine Einigung findet die sog.
Auffangregelung für die Arbeitnehmerbeteiligung Anwendung.
Unterliegt eine der beteiligten
Gesellschaften nach nationalem Recht Vorschriften über die
Unternehmensmitbestimmung, so muss nach der Auffangregelung auch die
SE Arbeitnehmervertreter zu ihrem Aufsichts- oder Verwaltungsorgan
zulassen, und zwar entsprechend dem zahlenmäßigen Verhältnis , das
für dem nationalstaatlichem Mitbestimmungsrecht unterliegende
Gesellschaft maßgeblich war.
Im Falle der Umwandlung einer
Gesellschaft in eine SE finden sämtliche vor der Umwandlung geltenden
Mitbestimmungsregeln auch nach der Umwandlung unverändert Anwendung.
Unterlag keine der Beteiligten nach nationalem Recht Regelungen über
die Mitbestimmung, so ist auch die SE nicht verpflichtet,
Arbeitnehmervertreter zu ihren Aufsichts- oder Verwaltungsorganen
zuzulassen.
Zukunftsaussichten
Es wird sich zeigen, welchen
Zuspruch diese neue Gesellschaftsform in der nächsten Zeit finden
wird. Interessant könnte dies für Unternehmen sein, die diverse
Tochtergesellschaften in eine SE einbringen wollen, um auf diese Weise
den Verwaltungsaufwand einer jeden Tochter erheblich reduzieren und
somit Kostenminderung zu schaffen.
Aus rechtlichen und
steuerrechtlichen Gründen, kann auch eine Sitzverlegung in einen
anderen EU-Mitgliedstaat interessant werden.
Andererseits könnte eine
weitere Verfolgung der Erarbeitung einer EU-einheitlichen
Steuerbemessungsgrundlage auf Basis von IAS/IFRS der 4.
EU-Bilanzrichtlinie zu einer angeglichenen Besteuerung der
Mitgliedstaaten führen.
Ob mit der Europäischen
Aktiengesellschaft (SE) die lange eingeforderte, von
nationalstaatlichen Bestimmungen befreite Gesellschaftsform zur
Verfügung gestellt wird, scheint angesichts der zahlreichen Bereiche,
in denen die Gesellschaft den jeweiligen nationalen Vorschriften über
Aktiengesellschaften unterliegt, recht zweifelhaft. Man denke nur an
die Probleme beim Mitbestimmungsrecht und an die länderspezifische
Steuererhebung.
© ESI 2005
Hier
können Sie sich das Gesetz zur Einführung der Europäischen
Gesellschaft (SEEG) als PDF-Datei herunterladen.
Quelle: Deutsches Bundesgesetzblatt
Jahrgang 2004 Teil I Nr. 73 vom 28. Dezember 2004
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